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TV-Kritik/Review: "Die Zweiflers" erfüllen internationale Ansprüche

von Stefan Genrich
(10.05.2024/ursprünglich erschienen am 03.05.2024)
ARD überrascht angenehm mit Serie über jüdische Familie in Deutschland
In der Familie "Die Zweiflers" staunen (v. l.) Mimi (Sunnyi Melles), Jackie (Mark Ivanir), Symcha (Mike Burstyn), Lilka (Eleanor Reissa), Saba (Saffron Marni Coomber) und Samuel (Aaron Altaras).
ARD Degeto / HR / Turbokultur / Elliott Kreyenberg
TV-Kritik/Review: "Die Zweiflers" erfüllen internationale Ansprüche/ARD Degeto / HR / Turbokultur / Elliott Kreyenberg

Anmerkung: Dieser Text wurde zum Mediatheken-Start von "Die Zweiflers" erstmalig veröffentlicht.

Die ARD experimentiert manchmal im Hauptprogramm: So verwöhnt sie ein aufgeschlossenes Publikum - nicht alleine in den Spartenkanälen und in der Mediathek. Mit dem witzigen und bewegenden Sechsteiler  "Die Zweiflers" überrascht Das Erste am 10. Mai nach den  "Tagesthemen". Die 45- bis 55-minütigen Episoden stehen schon ab dem 3. Mai zum Streaming bereit. Dann ist zu spüren, wie eine jüdische Familie in Frankfurt am Main lebt. Die Vergangenheit und aktuelle Herausforderungen treiben Symcha Zweifler (Mike Burstyn) und seine Angehörigen auseinander, ohne dass sie voneinander lassen können. Sein Enkel Samuel (Aaron Altaras,  "Deutsches Haus") versucht, sich im Chaos zu behaupten. In Berlin fasst er Fuß in der Musikindustrie, bevor ihm Saba Henriques (Saffron Coomber) den Kopf verdreht. Die Jury vom Festival Canneseries hat die ungewöhnliche Produktion mit drei Auszeichnungen belohnt, darunter als Beste Serie.

Samuel schiebt Rollkoffer durch Frankfurter Bahnhofsviertel

Gleich zu Beginn der ersten Folge wirkt Samuel unzufrieden, als er nach einem One-Night-Stand die Wohnung einer unbekannten Frau verlässt. In seinem Büro betrachtet Symcha die vertäfelte Wand mit Erinnerungsstücken zu seinem Erfolg als Delikatessenhändler. Unterdessen ist Samuel nach Frankfurt gereist und schiebt seinen Rollkoffer durch das verwahrloste Bahnhofsviertel. Zwischen den Porno-Schuppen, Spielhallen und Imbiss-Buden lädt eine Mischung aus Feinkostladen und Gaststätte zum Verweilen ein: "Zweifler" hat unzählige Gourmets mit Köstlichkeiten erobert. Dort spendiert Symchas Tochter Mimi einem Stammgast Wodka-Kuchen. Als ihr Sohn Samuel das Büro betritt, empfängt sie ihn gleich mit Kritik: Berlin tut dir gar nicht gut. Seine Schwester Dana in Israel lästert, als sie per Videokonferenz an der Runde teilnimmt. Im Gegensatz zu Papa Jackie Horowitz (Mark Ivanir) fehlt Samuels 19-jähriger Bruder Leon (Leo Altaras) keineswegs bei diesem Treffen. Hört mir bitte zu - bis ganz zum Ende, weckt Symcha die Neugier.

Samuel (Aaron Altaras) und Saba (Saffron Marni Coomber) freuen sich auf die gemeinsame Zukunft.
Samuel (Aaron Altaras) und Saba (Saffron Marni Coomber) freuen sich auf die gemeinsame Zukunft. ARD Degeto / HR / Turbokultur / Phillip Kaminiak

Deutsche brauchen keine Nachhilfe bei Antisemitismus

Ohne weitere Erklärung startet der originelle Vorspann mit in Szene gesetzten Nahrungsmitteln. Vor allem die Fleischwaren sehen abwechselnd eklig und lecker aus. In wenigen Minuten ziehen Optik und Sound die Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Bann. Solch eine moderne Bildsprache ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur gelegentlich zu genießen. Zudem hat die eindringliche Musik einen Hauptpreis in Cannes gewonnen. Drehbuch und Regie verdienen Lob für die Qualität, mit der Showrunner David Hadda ( "Freitagnacht Jews") und sein Team international glänzen können. Immer wieder passen Dialoge zur politischen Lage oder zur historischen Rückschau, wenn etwa Mimi über massenhaft importierten Antisemitismus schimpft und Leon einwirft: Bei Antisemitismus brauchen die Deutschen sicher keine Nachhilfe. Saba und Samuel wetteifern mit Spott, ob Schwarze oder Juden mehr Leid erfahren haben.

Siggi (Martin Wuttke, l.) erpresst seinen früheren Kumpel Symcha Zweifler (Mike Burstyn).
Siggi (Martin Wuttke, l.) erpresst seinen früheren Kumpel Symcha Zweifler (Mike Burstyn). ARD Degeto / HR / Turbokultur / Phillip Kaminiak

Symcha Zweifler und Siggi hüten ein Geheimnis

Der Patriarch verkündet, dass er sein Unternehmen an einen Investor verkaufen will. Nicht alleine Dana protestiert: Opa, das ist dein, das ist unser Lebenswerk. Samuel hingegen unterstützt seinen Großvater, weil der Trend von der Völlerei wegziehe. In Berlin vielleicht, meint Mimi, aber bei uns leben noch normale Menschen. Sie betont ihre wichtigen Aufgaben, die sie seit 40 Jahren übernehme. Symcha bleibt dabei, dass ja niemand seine Nachfolge im Unternehmen antreten könne: Und Leon ist doch ein halbes Kind. Dieses halbe Kind wird zumindest seine Mutter demnächst mit seiner Kunstausstellung schockieren.

Indes ahnt zu diesem Zeitpunkt kein Mensch, dass ein früherer Kumpel Symcha erpressen will. Dass sie mich heute den Juden-Siggi nennen, hier im Bahnhofsviertel, weil ich mich damals mit euch abgegeben habe, darauf bin stolz, behauptet der üble Kerl, der nach seiner Entlassung aus dem Knast Startkapital verlangt: Schließlich teilen wir beide ein Geheimnis, oder? Trotz der Gefahr für seinen Ruf plagt Symcha das Gewissen: Ich habe nicht vergessen, was du für mich und meinen Bruder getan hast. Er verliert die Geduld, als Siggi größere Ansprüche stellt.

Mimi plant Sabas Übertritt zum Judentum und Beschneidung des Babys

Auch von anderer Seite naht Unruhe. Samuel hat Saba in der Nähe seines Elternhauses kennengelernt. Er verschweigt die wachsende Beziehung. Mama riecht den Braten. Sie zwingt ihren Sohn zu einer Begegnung per Smartphone. Später umgarnt sie die Köchin, die karibische Wurzeln vorweist und aus London stammt. Ein Job-Angebot aus dem japanischen Kyoto lockt. Wird Samuel seiner Liebe folgen, obwohl er die Verpflichtungen zu Hause erfüllen will? Zunächst überrumpelt eine Schwangerschaft das Paar. Die erhoffte Schwiegertochter und das Baby begeistern Mimi - sofern der Junge bald beschnitten wird und Saba zum Judentum übertritt. In ihrer Rolle als ichbezogene Mutter fasziniert Sunnyi Melles ( "Altes Geld") mit Winkelzügen. Mimi übertreibt und manipuliert hemmungslos. Daneben besticht Martin Wuttke ( "Bonn - Alte Freunde, neue Feinde") als Siggi, wenn er Essen verschlingt oder den Zweiflers schadet.

Symcha (Mike Burstyn, 2. v. l.) geht mit Enkel Samuel (Aaron Altaras, l.) in die Synagoge.
Symcha (Mike Burstyn, 2. v. l.) geht mit Enkel Samuel (Aaron Altaras, l.) in die Synagoge. ARD Degeto / HR / Turbokultur / Phillip Kaminiak

Oma importiert Medikamente, während Enkel mit Wünschen hadert

Dana versucht, das Ruder in der Firma herumzureißen. Sie erhält die Gelegenheit, als sie nach Deutschland umzieht. Ihre Darstellerin Deleila Piasko ( "Der Schatten") kennt die Kultur mit Synagoge, Schabbat, Pessach, verschiedenen Gesängen und natürlich dem sarkastischen Humor - so heißt es in der Pressemappe. Mein Vater überlebte, wie Lilka, die Hölle von Auschwitz, ergänzt Eleanor Reissa, die Symchas Ehefrau spielt: Lilka verkörpert genau diese Unbeugsamkeit und Stärke. Allerdings rütteln nach wie vor Ängste und Vorbehalte an dieser Persönlichkeit. So importiert sie ihre Medikamente aus Israel und spricht fast ausschließlich Jiddisch. Schuldgefühle plagen Überlebende und nachfolgende Generationen. Meine Großeltern haben alles gegeben, damit wir ein Leben haben können, hadert Samuel mit seinen Wünschen für sich selbst: Sie waren verdammt nochmal in Auschwitz. Soll das umsonst gewesen sein? Für mein persönliches Glück? Immerhin hat er eigene Ziele verfolgt, als er nach dem Jura-Studium zur Musik gewechselt ist.

Leon Zweifler (Leo Altaras) sucht Halt in seiner Kunst und stört den Familienfrieden.
Leon Zweifler (Leo Altaras) sucht Halt in seiner Kunst und stört den Familienfrieden. ARD Degeto / HR / Turbokultur / Phillip Kaminiak

Sprüche über Juden und ihre Traditionen fließen nicht so locker

Mitunter bleibt ein Lachen im Halse stecken. Sprüche über Juden und ihre Traditionen fließen nicht so locker wie in der US-Sitcom  "Die Nanny". Allerdings sollten die Zuschauerinnen und Zuschauer kein schweres Drama über Nachwirkungen vom Holocaust erwarten. Einige Eigenheiten mögen jüdischen Familien vorbehalten sein. Dennoch erscheinen die Denk- und Verhaltensmuster vertraut. Ferner wissen wir zu wenig über Juden in der modernen Gesellschaft. Die Themen Nationalsozialismus und Palästinenser verhindern die Annäherung. "Die Zweiflers" durchbrechen unterhaltsam die Barriere zwischen Juden und Nicht-Juden. Wie authentisch vermitteln diese Episoden den Alltag! Für diesen Eindruck ist den Produzenten zu danken, dass sie unterschiedliche Sprachen beibehalten. Deutsch, Jiddisch und Englisch sind zu hören. Hebräische oder russische Worte erklingen seltener. Untertitel erleichtern das Verständnis.

Geburt löst keine Probleme

Mühelos erreichen die Geschichten Herz und Hirn. Der gewaltige Aufwand von einem Historien-Drama entfällt, obwohl wir zum Beispiel auf damalige Ereignisse im Rotlichtmilieu blicken. Symcha Zweifler hat ein beachtliches Unternehmen mitsamt Rinderfarm, Schlachterei und Catering aufgebaut. Im Alter droht ihm der Untergang. Religiöse Pflichten zählen weniger als Bräuche und Überlieferung. Junge Erwachsene wie Leon testen ihre Grenzen. Entgegen ihrer Verbundenheit mit Symcha verschweigt Lilka gesundheitliche Beschwerden. Samuel und Saba streiten. Psychotherapeut Jackie nervt Mimi mit einer Affäre. Alle feiern die Geburt, die freilich kein Problem löst. Kann Freude das Leid überwinden? In Cannes haben wahrscheinlich die Glaubwürdigkeit und die warme Atmosphäre der Serie überzeugt. Jedenfalls verdienen "Die Zweiflers" ihre Chance in der ARD und beim internationalen Publikum.

Dieser Text beruht auf der Sichtung der Hälfte von sechs Folgen "Die Zweiflers".

Meine Wertung: 4.5/5

Das Erste zeigt die 45- bis 55-minütigen Episoden von "Die Zweiflers" an einem Stück - am Freitag, den 10. Mai ab 22.20 Uhr. Online steht die komplette Serie bereits ab dem 3. Mai in der ARD Mediathek bereit. Ab diesem Termin lässt sich ebenso eine begleitende Dokumentation streamen: "Le Chaim! Auf das Leben unserer Eltern" beleuchtet das Leben von Juden im Frankfurt der Nachkriegszeit.


 

Über den Autor

Seit 2016 hat Stefan Genrich Websites entwickelt und an einer Hochschule unterrichtet. Vor einer siebenjährigen Pause bei TV Wunschliste würdigte er das weihnachtliche TV-Programm im United Kingdom: Sein Herz schlägt für britisches Fernsehen. Daher verfolgt er jeden Cliffhanger von „Doctor Who“. Der Journalist kritisiert nebenberuflich Serien. Ihn ärgern Mängel bei ARD und ZDF – oder er genießt „Tagesthemen“ sowie „Nord bei Nordwest“. Frühe Begegnungen mit „Disco“ und „Raumschiff Enterprise“ haben Spuren hinterlassen. Später scheiterte Stefan beim Versuch, die Frisur von „MacGyver“ zu kopieren. Wegen „Star Trek: Strange New Worlds“ und „1923“ mag er Paramount+.

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Leserkommentare

  • chrisquito schrieb via tvforen.de am 09.05.2024, 09.48 Uhr:
    Nach der Hälfte der Folgen kann ich feststellen, dass das schon eine anspruchsvolle Dramedy ist. Ich mag zudem die jüdische Kultur und die jiddische Sprache. Aber dadurch, dass die beiden Hauptfiguren ständig Englisch miteinander reden, wird die Zahl der Untertitel unnötigerweise - wie ich finde - noch zusätzlich erhöht, das strengt auf die Dauer an.
  • chrisquito schrieb via tvforen.de am 10.05.2024, 13.09 Uhr:
    Besserwisserin schrieb:
    chrisquito schrieb:
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    > Nach der Hälfte der Folgen kann ich
    feststellen,
    > dass das schon eine anspruchsvolle Dramedy ist.
    > Ich mag zudem die jüdische Kultur und die
    > jiddische Sprache. Aber dadurch, dass die
    beiden
    > Hauptfiguren ständig Englisch miteinander
    reden,
    > wird die Zahl der Untertitel unnötigerweise -
    wie
    > ich finde - noch zusätzlich erhöht, das
    strengt
    > auf die Dauer an.
    Aber es heißt doch: Die Serie hat Weltniveau.

    Und das spiegelt sich in der Vielzahl der verwendeten Sprachen und dementsprechend notwendigen Untertitel wider? ;-) Im Eifer des Gefechts wurden sogar in Einzelfällen komplett hochdeutsche Sätze untertitelt.
    Übrigens hat mMn die Serie in den letzten drei Folgen deutlich nachgelassen.
  • Besserwisserin schrieb via tvforen.de am 10.05.2024, 04.42 Uhr:
    chrisquito schrieb:
    Nach der Hälfte der Folgen kann ich feststellen,
    dass das schon eine anspruchsvolle Dramedy ist.
    Ich mag zudem die jüdische Kultur und die
    jiddische Sprache. Aber dadurch, dass die beiden
    Hauptfiguren ständig Englisch miteinander reden,
    wird die Zahl der Untertitel unnötigerweise - wie
    ich finde - noch zusätzlich erhöht, das strengt
    auf die Dauer an.
    Aber es heißt doch: Die Serie hat Weltniveau.
  • PkvicAvzwF schrieb am 04.05.2024, 22.00 Uhr:
    Im Artikel ist ein Fehler.
    Serienstart im Ersten ist der 10. Mai, und nicht April
    Grüße
  • Redaktion Stefan Genrich schrieb am 04.05.2024, 23.42 Uhr:
    Autsch! Vielen Dank für den Hinweis! Der Fehler am Ende des Artikels ist beseitigt.